Mission Demokratie retten: Erster deutschlandweiter Bürgerrat mit 160 gelosten Menschen startet
Knapp zwei Wochen nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen startet der erste bundesweite Bürgerrat zum Thema Demokratie: 160 per Los ausgewählte Teilnehmende aus dem ganzen Bundesgebiet werden in Leipzig an vier Tagen (13./14.9. und 27./28.9.) darüber diskutieren, was der Demokratie fehlt und wie man sie voranbringen kann.
Den Vorsitz des deutschlandweit bisher einmaligen Modellprojektes, das von Mehr Demokratie und der Schöpflin Stiftung initiiert und von der Stiftung Mercator unterstützt wird, übernimmt der ehemalige Ministerpräsident Bayerns Günther Beckstein: „Während meiner Amtszeit habe ich mit Bürgerbeteiligung guten Erfahrungen gemacht“, erklärt Beckstein. „Bürgerräte bieten Bürgerinnen und Bürgern, die sich sonst nicht politisch äußern können, eine sehr gute Möglichkeit, sich einzubringen. Das verringert die Distanz zwischen der Bevölkerung und den Politikprofis.“
„Beim Bürgerrat begegnen ganz unterschiedliche Menschen einander direkt und über mehrere Tage hinweg – das perfekte Format, um jenseits von Filterblasen über die Demokratie der Zukunft nachzudenken“, ergänzt Claudine Nierth, Vorstandssprecherin des Vereins Mehr Demokratie.
Auf sechs Regionalkonferenzen im Juni und Juli hatten interessierte Bürger darüber diskutiert, was unserer Demokratie fehlt. Die Ergebnisse wurden inzwischen aufbereitet und sind nun die Grundlage für den gelosten Bürgerrat. Die per Zufallsauswahl ausgewählten Bürger kommen nun in Leipzig zusammen. Besonders Vorwissen ist dabei nicht nötig, denn die einzelnen Themen werden vor Ort von Experten allgemeinverständlich vorgestellt.
Der Bürgerrat Demokratie wird konkrete Vorschläge entwickeln, vor allem zu der Frage, ob und wie die repräsentative Demokratie um Elemente der Bürgerbeteiligung und direkten Demokratie ergänzt werden soll. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat bereits zugesagt, die Ergebnisse am 15. November im Rahmen eines „Tags für die Demokratie“ entgegenzunehmen.
Für den Bürgerrat hatte das nexus-Institut, das den gesamten Prozess gemeinsam mit IFOK professionell begleitet, Kommunen verschiedener Größenklassen angeschrieben. „Aus den Einwohnermelderegistern von 50 Städten und Gemeinde wurden per Zufallsauswahl Bürger ermittelt. Die Eingeladenen konnten sich für den Bürgerrat anmelden.
Rund 250 Menschen haben auf die Einladung reagiert“, erklärt Christine von Blanckenburg, Projektleiterin von nexus. Aus den Anmeldungen wurden die 160 Teilnehmenden so ausgewählt, dass ihre Zusammensetzung die Bevölkerung deutschlandweit widerspiegelt.
„Bürgerräte erweisen sich immer wieder als geeignete Verfahren zur Lösung politischer Konflikte“, ergänzt Jacob Birkenhäger, Projektverantwortlicher bei IFOK. „Die gelungene Verknüpfung von parlamentarischer Demokratie, Bürgerräten und Referenden haben wir in den letzten Jahren in Irland zu den Themen Schwangerschaftsabbruch und Ehe für gleichgeschlechtliche Paare erlebt.“ Bürgerräte (Citizens' Assemblies) hatten für diese umstrittenen politische Fragen zuvor Empfehlungen formuliert, die von Parlament und Bevölkerung angenommen wurden.