Frankfurter bei Demokratie ratlos

Stadt verweigert Adressauskunft für Bürgerrat

94 andere Städte und Gemeinden machen mit, nur Frankfurt stellt sich quer – die Stadt weigert sich, für den „Bürgerrat Demokratie“ Adressdaten von Bürgerinnen und Bürgern bereitzustellen. Im Rahmen des Demokratie-Modellprojekts sollen per Los ausgewählte Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet im direkten Gespräch Wege aus der Demokratiekrise erarbeiten. Die Verwaltung gibt für ihre Haltung Datenschutzgründe an. Es bestehe kein direktes öffentliches Interesse am Bürgerrat, deshalb müsse die Auskunft verweigert werden.

In einer Email schrieb die Stadtverwaltung: "In Frankfurt am Main gab es vor wenigen Monaten eine ähnliche Initiative, die ebenfalls - allerdings räumlich begrenzter - sich in Versammlungen zufällig angesprochener Bürgerinnen und Bürger über Fragen unseres politischen Systems und der Bürgerbeteiligung diskutieren wollte. Diese Initiative, die ebenfalls namhafte Unterstützerinnen und Unterstützer hatte, konnte nach datenschutzrechtlicher Prüfung aus denselben Gründen wie Ihnen keine Gruppenauskunft erteilt werden.

Denn es steht außer Frage, dass auch das Bürgerbeteiligungsverfahren „Bürgerrat Demokratie“ einen gesellschaftlichen Bezug hat und von gemeinnützigen Organisationen getragen wird. Diese Attribute treffen jedoch auch auf eine Vielzahl anderer Innitiativen zu. Es bedurfte also einer weiteren Prüfung des öffentlichen Interesses an einer Gruppenauskunft und auch einer Abwägung mit den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen.

Ein öffentliches Interesse an einer Gruppenauskunft ist bereits immer dann zu verneinen, wenn der verfolgte Zweck auf andere Weise ohne Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht erreicht werden kann. So könnten Sie beispielsweise einen breiteren Personenkreis in Frankfurt am Main auf Ihre Veranstaltung aufmerksam machen und unter den Interessentinnen und Interessenten das Losverfahren anwenden.

Aus dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Ziel der politischen Willensbildung kann ein Interesse der Allgemeinheit an der Nutzung von Meldedaten ebenfalls nicht hergeleitet werden. Denn die Gewinnung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an Veranstaltungen liegt im unmittelbaren Interesse der Initiative und nicht der Allgemeinheit. Ein alleine mittelbares öffentliches Interesse reicht für die Erteilung einer Gruppenauskunft nicht aus."

Kritik vom Bürgerrat

Die Träger des Bürgerrates Demokratie kritisieren die Auskunftsverweigerung. „Bei unserem Bürgerrat geht es um nicht weniger als um die Zukunft der Demokratie in Deutschland. Mit ihrer Weigerung nimmt die Stadt Frankfurt ihren Bürgerinnen und Bürgern die Chance, beim ersten bundesweiten losbasierten Bürgerrat dabei zu sein“, sagt Claudine Nierth, Bundesvorstandssprecherin der Initiative „Mehr Demokratie“. Der Verein ist zusammen mit der Schöpflin Stiftung Motor des Bürgerrates. An der Durchführung wirken renommierte Bürgerbeteiligungsexperten von IFOK und nexus mit.

Beim bundesweiten Bürgerrat sollen zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger an zwei Wochenenden im September in Leipzig über Ideen für die Weiterentwicklung der Demokratie in Deutschland beraten. Seit Juni wurden auf bisher fünf Regionalkonferenzen Themenvorschläge hierfür gesammelt. Im November werden die in einem Bürgergutachten zusammengefassten Ergebnisse des Bürgerrats der Öffentlichkeit vorgestellt und dem Bundestag übergeben. Im Dialog mit den Bürgern sollen die Abgeordneten dann über die Umsetzung der Bürgervorschläge beraten. Der Bürgerrat wird von Politikern aller im Bundestag vertreten Parteien sowie von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble unterstützt. Hauptvorbild ist die Bürgerversammlung (Citizens' Assembly) in Irland, deren Vorschläge zur Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und zum Abtreibungsrecht in Referenden breite Mehrheiten fanden.

„Damit der Bürgerrat ein tatsächliches Abbild der Bevölkerung darstellt, brauchen wir eine gut durchmischte Zufallsauswahl aus den Einwohnermelderegistern ausgewählter Städte. Die Adressen aus der Zufallsauswahl bekommen von uns eine Einladung zum Bürgerrat. Wenn Frankfurt uns hier nicht hilft, heißt das: Die Bürgerinnen und Bürger hätten die Chance gehabt und können sie nicht wahrnehmen, weil die Verwaltung sie davor schützt“, erklärt Nierth. Die Anregung der Stadt, einen breiteren Personenkreis in Frankfurt auf den Bürgerrat aufmerksam zu machen und unter den Interessierten das Losverfahren anzuwenden, sei nicht umsetzbar, weil dann die Kriterien für die Zufallsauswahl nicht mehr erfüllen seien. „Es geht ja gerade darum, nicht nur die ohnehin schon Engagierten zu erreichen."

Von 160 Bürgerrat-Teilnehmenden sollen zwölf aus Hessen kommen. Bei der Auswahl wird darauf geachtet, dass die gelosten Personen ihrem Geschlecht, Alter, Bildungsgrad, Bundesland und der Größe ihres Wohnortes nach repräsentativ verteilt sind. Auch der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund soll dem Anteil in der Bevölkerung entsprechen. Neben Frankfurt wurden in Hessen die Kommunen Buseck, Kassel, Kirchheim und Stadtallendorf um Unterstützung gebeten. 

Details zur Auswahl der Gemeinden für den Bürgerrat Demokratie