Frankfurter bei Demokratie ratlos

13. Juli 2019 Thorsten Sterk

94 andere Städte und Gemeinden machen mit, nur Frankfurt stellt sich quer – die Stadt weigert sich, für den „Bürgerrat Demokratie“ Adressdaten von Bürgerinnen und Bürgern bereitzustellen. Im Rahmen des Demokratie-Modellprojekts sollen per Los ausgewählte Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet im direkten Gespräch Wege aus der Demokratiekrise erarbeiten. Die Verwaltung gibt für ihre Haltung Datenschutzgründe an. Es bestehe kein direktes öffentliches Interesse am Bürgerrat, deshalb müsse die Auskunft verweigert werden.

Die Träger des Bürgerrates Demokratie kritisieren die Auskunftsverweigerung. „Bei unserem Bürgerrat geht es um nicht weniger als um die Zukunft der Demokratie in Deutschland. Mit ihrer Weigerung nimmt die Stadt Frankfurt ihren Bürgerinnen und Bürgern die Chance, beim ersten bundesweiten losbasierten Bürgerrat dabei zu sein“, sagt Claudine Nierth, Bundesvorstandssprecherin der Initiative „Mehr Demokratie“. Der Verein ist zusammen mit der Schöpflin Stiftung Motor des Bürgerrates. An der Durchführung wirken renommierte Bürgerbeteiligungsexperten von IFOK und nexus mit.

Beim bundesweiten Bürgerrat sollen zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger an zwei Wochenenden im September in Leipzig über Ideen für die Weiterentwicklung der Demokratie in Deutschland beraten. Seit Juni wurden auf bisher fünf Regionalkonferenzen Themenvorschläge hierfür gesammelt. Im November werden die in einem Bürgergutachten zusammengefassten Ergebnisse des Bürgerrats der Öffentlichkeit vorgestellt und dem Bundestag übergeben. Im Dialog mit den Bürgern sollen die Abgeordneten dann über die Umsetzung der Bürgervorschläge beraten. Der Bürgerrat wird von Politikern aller im Bundestag vertreten Parteien sowie von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble unterstützt. Hauptvorbild ist die Bürgerversammlung (Citizens' Assembly) in Irland, deren Vorschläge zur Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und zum Abtreibungsrecht in Referenden breite Mehrheiten fanden. 

„Damit der Bürgerrat ein tatsächliches Abbild der Bevölkerung darstellt, brauchen wir eine gut durchmischte Zufallsauswahl aus den Einwohnermelderegistern ausgewählter Städte. Die Adressen aus der Zufallsauswahl bekommen von uns eine Einladung zum Bürgerrat. Wenn Frankfurt uns hier nicht hilft, wird das Bild schief, weil die Stadt mit ihrer Einwohnerzahl von mehr als 500.000 Menschen in Hessen die einzige ihrer Größenklasse ist“, erklärt Nierth. 

„Damit der Bürgerrat ein tatsächliches Abbild der Bevölkerung darstellt, brauchen wir eine gut durchmischte Zufallsauswahl aus den Einwohnermelderegistern ausgewählter Städte. Die Adressen aus der Zufallsauswahl bekommen von uns eine Einladung zum Bürgerrat. Wenn Frankfurt uns hier nicht hilft, heißt das: Die Bürgerinnen und Bürger hätten die Chance gehabt und können sie nicht wahrnehmen, weil die Verwaltung sie davor schützt“, erklärt Nierth. Die Anregung der Stadt, einen breiteren Personenkreis in Frankfurt auf den Bürgerrat aufmerksam zu machen und unter den Interessierten das Losverfahren anzuwenden, sei nicht umsetzbar, weil dann die Kriterien für die Zufallsauswahl nicht mehr erfüllen seien. „Es geht ja gerade darum, nicht nur die ohnehin schon Engagierten zu erreichen.“

Von 160 Bürgerrat-Teilnehmenden sollen zwölf aus Hessen kommen. Bei der Auswahl wird darauf geachtet, dass die gelosten Personen ihrem Geschlecht, Alter, Bildungsgrad, Bundesland und der Größe ihres Wohnortes nach repräsentativ verteilt sind. Auch der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund soll dem Anteil in der Bevölkerung entsprechen. Neben Frankfurt wurden in Hessen die Kommunen Buseck, Kassel, Kirchheim und Stadtallendorf um Unterstützung gebeten. 

Bei den Veranstaltern des Bürgerrates hofft man noch auf ein Einlenken der Stadt Frankfurt. „Die Verwaltung sollte sich so einem herausragenden Projekt der Bürgerbeteiligung nicht in den Weg stellen“, so Nierth.