So funktioniert das Losverfahren
Gestaffelte Zufallsauswahl
Der Bürgerrat Demokratie war als bundesweiter Prozess angelegt. Teilnehmen konnten alle Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit ab einem Alter von 16 Jahren. Bei der Ziehung der Stichprobe wurde sichergestellt, dass alle potentiellen Teilnehmenden theoretisch die Möglichkeit zur Teilnahme hatten.
In Deutschland besteht die Möglichkeit, Zufallsstichproben aus den kommunalen Einwohnermelderegistern zu ziehen. Dieses Verfahren wird bei losbasierten Beteiligungsverfahren üblicherweise genutzt, so auch für den Bürgerrat Demokratie. Gegenüber einer Zufallsstichprobe aus dem Telefonbuch bietet es den Vorteil, dass auch diejenigen, die keinen Festnetzanschluss besitzen, eingeschlossen sind.
Um zu gewährleisten, dass auf jeden über 16jährigen Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft das Los fallen könnte, erfolgte eine gestaffelte Zufallsauswahl:
- Zunächst wurden aus dem amtlichen Gemeindeverzeichnis in allen Bundesländern Gemeinden zufällig ausgelost. Bei den Einwohnermeldeämtern dieser Gemeinden wurde beantragt, eine Zufallsstichprobe ihrer Bürgerinnen und Bürger zu ziehen und dem Bürgerrat Demokratie für die Einladung zur Verfügung zu stellen.
- Technisch fand sowohl die Auswahl der Gemeinden durch das nexus Institut als auch die der Bürgerinnen und Bürger durch die Einwohnermeldeämter über Algorithmen statt.
Verteilung der Stichprobe auf die Bundesländer
Als Referenzrahmen für die Verteilung der Stichprobe auf die Bundesländer diente das Stimmverhältnis im Bundesrat:
Bundesland | Stimmen im Bundesrat | Prozent der Stimmen | Stichprobe bei 3% Zusagen | Anzahl der Teilnehmenden |
Baden-Württemberg | 6 | 9% | 464 | 14 |
Bayern | 6 | 9% | 464 | 14 |
Berlin | 4 | 6% | 309 | 9 |
Brandenburg | 4 | 6% | 309 | 9 |
Bremen | 3 | 4% | 232 | 7 |
Hamburg | 3 | 4% | 232 | 7 |
Hessen | 5 | 7% | 386 | 12 |
Mecklenburg-Vorpommern | 3 | 4% | 232 | 7 |
Niedersachsen | 6 | 9% | 464 | 14 |
Nordrhein-Westfalen | 6 | 9% | 464 | 14 |
Rheinland-Pfalz | 4 | 6% | 309 | 9 |
Saarland | 3 | 4% | 232 | 7 |
Sachsen | 4 | 6% | 309 | 9 |
Sachsen-Anhalt | 4 | 6% | 309 | 9 |
Schleswig-Holstein | 4 | 6% | 309 | 9 |
Thüringen | 4 | 6% | 309 | 9 |
SUMME | 69 | 100% | 5.333 | 160 |
Auswahl der Gemeinden nach Größenklassen
Grundlage der Auswahl bildete das amtliche Gemeindeverzeichnis aller politisch selbständigen Gemeinden (mit Gemeindeverband) in Deutschland (Stand 31.12.2018), das vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht wird (www.destatis.de).
In der öffentlichen Diskussion über Politikverdrossenheit wird häufig auf den siedlungsgeografischen Gegensatz von Stadt und Land verwiesen, insbesondere wenn das Gefühl des „Abgehängt-Seins“ analysiert wird. Um die unterschiedlichen Lebensverhältnisse besser in der Gruppe der Teilnehmenden abbilden zu können, wurde in der ersten Stufe der Zufallsauswahl die Gemeindegröße berücksichtigt.
Dafür orientierten wir uns an der Klassifizierung von Gemeinden nach Größe in Einwohnern, wie sie z.B. der Deutsche Städtetag zur systematischen Erfassung von Kommunen verwendet. Zur besseren Handhabbarkeit der Zufallsstichprobe haben wir mit fünf Größenklassen gearbeitet.
Größenklasse | Einwohnerzahl |
I | unter 5.000 |
II | 5.000 - 20.000 |
III | 20.000 - 100.000 |
IV | 100.000 - 500.000 |
V | über 500.000 |
In den Stadtstaaten konnte gleich auf Landesebene gezogen werden, in allen Flächenländern wurde aus diesen fünf Größenklassen eine oder mehrere (s.u.) Gemeinde(n) per Zufall ausgewählt. In diesen Gemeinden wurde dann im nächsten Schritt die Zufallsstichprobe aus dem Einwohnermelderegister gezogen.
Auswahl der Gemeinden
Die Auswahl der Gemeinden erfolgte aus dem amtlichen Gemeindeverzeichnis anhand der Funktion „Zufallszahl“. In jeder Größenklasse wurde jeweils ein Auswahlbereich zwischen 1 und 3000 angegeben, so dass alle Gemeinden der Größenklasse eine zufällige Zahl zugeordnet bekommen. Anschließend wurden die Gemeinden aufsteigend sortiert. Die Gemeinde, die die niedrigste Zufallszahl erhalten hatte, galt als ausgewählt.
Wenn die Anzahl derjenigen, die zum Verfahren eingeladen werden sollten höher war als 2 Prozent der Bevölkerung, wurde die Gemeinde mit der nächst größeren Zufallszahl in die Auswahl einbezogen. Die 2 Prozent-Grenze ist gesetzt worden, damit nicht per Zufall Familien oder Freundeskreise eine Gemeindegröße für ein Bundesland repräsentieren.
Da es in manchen Bundesländern sehr kleine selbstständige Gemeinden gibt, sind in der ersten Größenklasse nach diesem Verfahren bis zu 10 Gemeinden ausgewählt worden (Schleswig-Holstein). Umgekehrt haben in Nordrhein-Westfalen nur drei Gemeinden weniger als 5000 Einwohner. In diesem Bundesland sind daher die erste und die zweite Größenklasse zusammengeführt worden.
Größe der Stichprobe
Wir wollten beim Bürgerrat 160 Teilnehmende haben. Bei einer geschätzten positiven Rücklaufquote von 3 Prozent sollten 5.333 Adressen aus den Melderegistern gezogen werden. Der Rücklauf wurde so niedrig angesetzt, weil durch die nachträgliche Zusammenstellung der Auswahl nicht alle, die ihre Bereitschaft zur Teilnahme erklärt hatten, berücksichtigt werden konnten. Weil einige Kommunen Einwohnerdaten zu spät oder gar nicht zur Verfügung stellten, wurden letztlich 4.362 Adressen angeschrieben.
Größe der Stichproben nach Bundesland und Gemeindegrößenklasse
Der Anteil der Gemeinden einer Größenklasse an der gesamten Stichprobe des Bundeslandes entsprach dem Anteil, den die Gemeinden dieser Größenklasse an der Gesamtheit aller Gemeinden des Bundeslandes haben.
Komposition der Teilnehmenden nach Kriterien
Die Zufallsauswahl der Teilnehmenden garantiert Vielfalt. Dies wird bei anderen Verfahren, die auf der öffentlichen Einladung oder einer Einladung von Interessierten basieren, nicht erreicht. Beteiligungsverfahren, die auf einem Losverfahren beruhen, gelten als besonders inklusiv. Doch auch bei dieser Methode sind die älteren Altersgruppen und die Hochgebildeten eher überrepräsentiert. Um dem entgegen zu wirken, wurden unter den positiven Rückmeldungen die Teilnehmenden zusammengestellt.
Ausschlaggebend dafür war, dass die Verteilung soziodemografischer Merkmale im Bürgerrat möglichst genau der Verteilung in der Gesamtbevölkerung entspricht.
Folgende Merkmale kamen zur Anwendung:
- Geschlecht
- Altersgruppe
- Bildungsstand
- Bundesland
- Gemeindegröße
- Migrationshintergrund
Geschlecht | Anteil an der Bevölkerung ab 15 Jahren | |
Männlich |
| 49,3 % |
Weiblich |
| 50,7 % |
Alter | Anteil an der Bevölkerung ab 15 Jahren | |
15 – 25 |
| 12,2% |
25 – 40 |
| 21,9 % |
40 – 65 |
| 41,4% |
65 und älter |
| 24,5% |
Höchster Bildungsabschluss | Anteil der Bevölkerung über 15 Jahre in % | |
noch Schüler bzw. Schülerin |
| 3,6% |
ohne Abschluss |
| 4% |
Hauptschule |
| 30,3% |
mittlerer Bildungsabschluss, einschließlich POS |
| 29,9% |
Fach-/allgemeine Hochschulreife |
| 14,3% |
Hochschulabschluss, einschließlich Promotion |
| 17,6% |
Migrationshintergrund | Anteil der Bevölkerung über 15 Jahre in % | |
Deutsche Staatsbürger mit eigener Migrationserfahrung oder Eltern mit Migrationserfahrung |
| 10,5% |
Zum Teil waren diese Daten schon in den Daten der Einwohnermelderegister enthalten. Zum Teil ergaben sie sich aus den Rückmeldekarten, die alle Eingeladenen erhalten hatten.
Zum Ausdrucken: FAQ Wie funktioniert das Losverfahren